Ein Videorekorder in der DVD-Abteilung im Media Markt

Der Media Markt hatte seine DVD-Abteilung umgebaut. Die Sortierung nach Genres verbessert, Neuheiten fingen die ersten Blicke beim betreten. Große gut leserliche Schilder über jedem Regal: Angebote, Aus der Werbung, Bollywood u.s.w. An den Rand gedrängt die Filme von A bis Z.

Großzügig waren die Gänge zwischen den Regalen, wie für Reiner gemacht. Reiner war in seinem elektrischen Rollstuhl unterwegs. Der Joystick lenkte ihn in die richtige Richtung das LCD-Display zeigte Geschwindigkeit und Batteriestand an. Trotzdem sehen Rollstühle nie modern oder sogar peppig aus sondern immer wie veraltetes medizinisches Gerät. Reiner hatte seid fünf Jahren keine Beine mehr und seid 2Jahren seinen elektrischen Rollstuhl. Das Rauchen, der Zucker und ein Unfall hatten seine Beine auf dem Gewissen. Nicht dass er sie vorher viel genutzt hätte. Bis zu seiner Krankheit arbeitete er bei einer Versicherung am Schreibtisch, blieb unverheiratet und bis zu ihrem Tod versorgte und pflegte ihn seine Mutter Trude, die zuvor schon Jahre ihren Mann, der an Lungenkrebs erkrankte und schließlich starb, selbstlos gepflegt hatte.

Einmal die Woche machte sich Reiner auf den Weg in den Media Markt, denn das war es, was ihn noch als Teil der Gesellschaft definierte: Der Konsum. Zu sein unter anderen Konsumierenden. Normal zu sein. In der gut übersichtlichen Abteilung findet man Reiner am Wühltisch mit den DVD's die maximal 2,99€ kosten. Hier findet sich all der Film-Trash, der nicht zum Kult erhoben wurden: Actionfilme aus den 80ern, Horror aus den 90ern und Komödien, über die noch nie jemand gelacht hat. Reiner sucht nur Actionfilme. Er durchstöbert angestrengt den Wühltisch der etwas zu hoch ist. Er kommt mit seiner Hand nie an die Filme die in der Mitte des Tisches liegen. Er ließt sich den Kurzinhalt auf dem DVD-Rücken durch, betrachtet die Bilder und kauft gleich vier oder fünf DVDs. Auf jeder befinden sich Szenenfotos von Explosionen, schwitzenden und schießenden Muskelmännern und halbnackten blonden Frauen.

Es geht Reiner nicht darum, qualitativ hochwertige Filme zu sehen, noch ist er ein Fan von C-Movies. Es ist einfach das gute Gefühl, wenn er die schwierig zu entfernende Plastikverpackung abreißt, die Hülle öffnet und die silbrig sauber glänzenden Scheibe sieht. Ohne Fingerabdrücke und Kratzer. Es ist ein Genus für ihn die Silberscheibe aus der Befestigung zu fummeln, mit der Fernbedienung das DVD-Ladefach automatisch ausfahren zu lassen, die DVD einzulegen, das Fach wieder schließen zu lassen und sich in seinem Rollstuhl zurück zu lehnen. Schon während dem schauen des Films freut er sich, auf den nächsten Film, den er auspacken kann, auf den nächsten Film den er kaufen kann.

Ohne es zu wissen ist dies alles was ihm im Leben bleibt, was ihn daran erinnert noch am leben zu sein und nicht wie ein Videorekorder, nutzlos und von der Zeit überlebt zu verstauben.